Monsters

Im April 2019 zog mein langjährig dort lebender Nachbar aus der Wohnung unter mir aus. Er hatte einen Schlaganfall und kam in ein Heim.

In dieser Wohnung wurde 2012 von einer neuen Mieterin der Teppich rausgerissen und seitdem hörte man oben bei mir echt alles. Diese Mieterin zog aber nach einem halbem Jahr aus, weil sie nicht sehr sozialverträglich war und selbst angeblich Hyperakusik hatte. Wenn ihr irgendwas zu laut war, trat sie gegen die Wohnungstüren der Nachbarn, was nicht so gut ankam. Ich empfand sie selbst als zu laut und war froh, als sie auszog.

Der Nachbar, der dann einzog, war sehr ruhig. Und trotz fehlendem Teppich unten. Es war wieder alles wieder gut.

Als er ins Heim kam, war mir mulmig, weil ich nicht wusste, was nun auf mich zukam. Mein Partner meinte, ich sollte  den Vermieter anschreiben, da die, die Wohnung sowieso renovierten. Dass die das besser schallisolieren sollten. Auf den Brief bekam ich nie eine Antwort.

Mein Partner und ich hatten denselben Vermieter. Wir wohnten seit 2004 - er seit 2006 in unseren Wohnungen. Sie lagen ca. 1/2 Stunde mit dem Rad voneinander entfernt. Das hatte sich damals so ergeben. Wir wollten, so nah wie möglich beieinander wohnen. Wir hatten nie Probleme mit dem Vermieter. Es war immer alles freundlich und in Ordnung.

Im April 2019 änderte sich das.

Ein Pärchen zog unter mir ein. Er war behindert und hatte Spina Bifida. Er konnte theoretisch sich nur im Rollstuhl fortbewegen. Er kam aus Australien und hatte eine Chinesin geheiratet.

Sie zogen Mitte April 2019 unter mir ein.

Von Anfang an war die Geräuschkulisse in meiner Wohnung nun ungefähr so:


Das hörte ich mir zwei Wochen an. Ich sagte meinem Partner - der sehr lärmempfindlich war und dem das enorm störte, wenn er bei mir zu Besuch war - dass das vielleicht noch Umzuglärm sein konnte.

Aber nachdem auch die Osterfeiertage von extrem lauten Geräuschen aus der unteren Wohnung gestört wurden und wir in die Wohnung meines Partners flüchteten, ging ich mit der Hausordnung bewappnet eines nachmittags runter zu den neuen Nachbarn. Denn der Lärm war ja oft  bis spät in die Nacht hinein extrem und eben an Sonn- und Feiertagen und sonst auch die ganze Zeit.

Ich wurde sehr freundlich von dem Paar empfangen. Sie konnten kaum deutsch, aber ich erklärte ihnen auf Englisch das Problem. Sie gelobten Besserung. Mir wurde zudem eine DINA 4 Seite gegeben mit einer Telefon-Nr., zwei Handy-Nummern, und 2 E-Mail-Adressen mit der Bitte, mich sofort zu melden, wenn mich etwas stören sollte.

Zudem wurde mir ausführlich ihre Lebensgeschichte mitgeteilt. Sie waren aus Australien  hier her nach Deutschland geflüchtet, weil die Sterbehilfe-Gesetze in Australien gelockert worden wären. Der männliche Nachbar mit der Spina Bifida, erklärte mir, dass er trotz seiner Krankheit laufen wollte und jeden Tag mit Krücken üben würde.

Eine Recherche im Internet zeigte mir, dass das mit dieser Krankheit nicht möglich war. Aber gut dachte ich, das Gespräch war ja nicht schlecht gelaufen.

Ich bildete mir auch ein, dass es besser geworden wäre, nach meiner Intervention. Aber mein Partner verneinte meine Wahrnehmung. Ich hätte das wohl gerne so gehabt. 

Nachdem es einen Tag wieder extremst war, gab ich meinem Partner recht und ergriff nicht so begeistert den Telefonhörer. Ich hatte die Frau dran, sie klang gehetzt und sagte, dass sie auf der Arbeit wäre und ihr Mann halt üben würde, sie könnte nichts dagegen machen. Sie würde sich abends bei mir melden.

Sie meldete sich aber nicht.

Dafür krachte es einige Nächte später um 2.00 Uhr so laut von unten - dass wir dachten, da ist irgendwas passiert - mein Partner übernachtete bei mir an dem Tag.

Ich rief dieses Mal die Festnetz-Nummer an und fragte was los wäre. Ich hatte wieder die Frau dran, die nun plötzlich völlig zickig reagierte und sagte, dass gar nichts los wäre und wenn ich etwas gehört hätte, wären das "haushaltsübliche Geräusche" gewesen. Ich wies auf die Uhrzeit hin. Daraufhin kam von ihr, sie könnte es nicht ändern und legte auf.

Mein Partner wollte gleich runter gehen und denen die Meinung geigen. Aber wir machten es dann nicht, dafür schrieben wir einen Brief an den Vermieter. Eine Art Protokoll über den Lärm hatte ich schon erstellt.

Es passierte die ganze Woche nichts. Der Lärm blieb weiter hin konstant. Ich war nun auch schon fertig deswegen, aber hoffte auf Hilfe durch den Vermieter.

Zum Wochenende kam ein Brief von demselben in dem stand sinngemäß:

Die Nachbarn hätten sich über MICH beschwert, dass ich nachts bei Ihnen STÄNDIG klingeln würde und der Vermieter forderte mich hiermit auf das zu unterlassen. 

Die Nachbarn würden nur "haushaltsübliche Geräusche" machen, die ich hinnehmen müsste.

Wir fielen aus allen Wolken. Meinem Partner belastete dieser Brief unseres Vermieters genauso wie mich. Wir schäumten vor Wut. Aber wir konnten ja nichts machen. Jede Interaktion gegen diese Leute würde gegen uns verwendet werden. Die armen Behinderten ...wir sahen uns schon obdachlos.

Ich war aber im Mieterverein und hatte eine Rechtsschutzversicherung.

Also, ging ich zuerst zum Mieterverein. Die wollten mir nicht helfen, da es sich ihrer Meinung nicht um Mietrecht handelte. Sie gaben mir nur ein Lärmmessgerät mit, was völlig unbrauchbar war, da es den Lärmpegel nicht abspeicherte.

So suchte ich mir eine Rechtsanwältin. Ziel war es, dass diese Nachbarn, zumindest die Ruhezeiten einhielten, die im Mietvertrag festgelegt waren. Die Anwältin eierte rum und wollte dass meine Vermieter, die Wohnung schallisolierten. Auf die Verleumdungen, dass ich nachts dort ständig klingeln würde, ging sie gar nicht ein.

Sie schrieb einen Brief an meinen Vermieter, den sie mir Gott sei Dank vorher zur Absegnung schickte, in dem sie mich als sehr lärmempfindlich darstellte - d.h. ich war der Depp und die Nachbarn im Recht. Ich fragte sie, was das sollte. 

Sie erklärte mir, dass sie ehrenamtlich beim Mieterverein arbeiten würde.

Was das mit ihrem Schreiben zu tun hatte, verstand ich nicht. Mein Partner meinte dazu, dass mutmaßlich die Nachbarn zufällig bei ihr Klienten waren und sie jetzt einen Interessenkonflikt hätte.

Mein Partner sagte, ich sollte mir einen ihm bekannten Anwalt nehmen, der total hart drauf war. 

Nachdem der Kampf mit der Rechtsschutzversicherung - wegen dem Anwaltswechsel - gewonnen war, machte ich das.

Allerdings ging, bis ich das erreicht hatte, wieder etliche Zeit ins Land, wo ich ständig diesem Lärmpegel in meiner Wohnung ausgesetzt war.

Ich bekam einen Hörsturz. Da hört man plötzlich nichts mehr. Was bezogen auf dem Lärm gut war, aber man hat dabei auch andere Symptome und es macht Angst. Ein Hörsturz ist zwar behandelbar, aber danach hatte ich Tinnitus. 

Als ich endlich einen Termin bei dem harten Anwalt hatte, hatte ich schon diese gesundheitlichen Schäden. Dieser Anwalt war wirklich gut. Die bekamen zwei Unterlassungsverfügungen - wegen der Verleumdung und dem Lärm, der Vermieter bekam eine Androhung wegen Mietminderung. Ein ärztliches Attest wurde beigefügt. Der war echt gut, der Anwalt.

Es war mittlerweile Weihnachtszeit.

Für den Tinnitus bekam ich ein Hörgerät mit einem Rauschgeräusch und eine Art Training, wie ich damit leben kann.

Zudem besorgte ich mir Noise-Chancelling Kopfhörer. Mein Partner hatte schon lange solche Kopfhörer und die waren dann erst einmal meine Rettung.

Heiligabend kam und es war ohne Worte. Lärm ohne Ende von unten. Wir waren beide so wütend auf diese Leute - danach bekamen sie von uns den Namen "Monsters" und wir konnten nichts machen. Nicht gegen die Tür treten bei denen usw.

Aber wir hatten einen Plan. Wir planten Sylvester. Monsters gingen ja nie weg. Und Sylvester konnten wir auch Lärm machen ohne dass uns jemand deswegen Ärger machen konnte.

Mein Partner bestellte bei Amazon Holzclogs für uns und wir besorgten uns Musik von Heino, Tony Marschall - so Stimmungsmusik halt. Es gab davon eine reichliche Sammlung von meinen Eltern.

Ich weiss noch Sylvester guckten wir ab 20.00 Uhr ständig nach unten, ob auch Licht bei denen brennt. Ob die da waren. Wir waren echt gethrillt in unserem Rachedurst. 

Wir aßen in dem Jahr nicht so viel, damit wir fit waren und dann ab ca. 23.00 Uhr bis morgens um 4.00 Uhr tanzten wir mit Holzschuhen. Wir stampften auf dem Boden auf. Mein Partner sprang mit den Clogs von einem Stuhl und hörten ohrenbetäubend mit teilweise Pausen mit unseren Noise-Chancelling Kopfhörern, die Stimmungsmusik:

Hier ein kleiner Geschmack davon:


 

 Ja, das hatte gut getan.

Neujahr sah ich Monsters kurz, als ich den Müll rausbrachte - sie wechselten sofort die Strassen-Seite und wenn Blicke töten könnten, hätte ich das nicht überlebt.

Auf jeden Fall gab' es im Januar 2020 noch einen Eklat zwischen dem harten Anwalt und mir, denn er hatte für sein Mandat zur Bedingung gemacht, dass ich jegliche Konversation mit dem Vermieter abbrach. Zudem versuchte er zu erreichen, dass ich eine Wohnung in dem Haus meines Partners bekam.

Das war ein Herzenswunsch von uns.

Aber der Vermieter schrieb  mich immer an, anstatt an den Anwalt zu schreiben. So bekam ich Mitte Januar 2020 ein Entschuldigungsschreiben und dass der Vermieter mit der Mietminderung einverstanden war.

Da hatte ich nur nichts von, da man ja als Bezieher von Grundsicherung, diese Summe sofort abgezogen bekommt. 

Zudem wollten sie noch ein Lärmprotokoll von Dezember 2019 von mir. Das schickte ich formlos dahin.

Und das war schon zuviel für den harten Anwalt. Er kündigte mir deswegen das Mandat.

Dieses war für uns ein erneuter Schock. 

Anwälte konnte man also allsamt vergessen, dachten wir.

Aber im Februar 2020 kam ein Brief von meinem Vermieter, dass Monsters zum 1. April 2020 ausziehen würden und ich für die nächste freie Wohnung im Haus meines Partners vorgemerkt wäre.

Juchhu, immerhin. Dann hatte es doch was gebracht.

Allerdings ging danach auf mysteriöse Weise unser Auto kaputt (das beschreibe ich im nächsten Beitrag) und eine Wohnung im Haus meines Partners bekam ich nie.

Immer wieder waren dort Wohnungen frei und mein Partner schrieb sofort den Vermieter an und ich auch. Aber immer war irgendwas. Die wollten nicht, dass wir in einem ihrer Häuser zusammen eine Wohnung haben.

Das war immer wieder ein Tropfen mehr der uns zerstörte, dahingehend, dass wir ständig ohnmächtiger wurden und eine Relation der Verhältnisse, wo uns bewusst war, dass wir ohne Geld, keinen Schritt vorwärts in Richtung unserer Wünsche und Ziele kamen.

  

 "Die halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge!"

Quentin Average in "Die Sünden von Natchez" von Greg Illes 

 



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