Donald

 Bis Ende 2019 hatten wir ein Auto. Den Donald..

 


 Einen Volvo V40. Und wir liebten unser Auto.

 

 

Sich schnell mit einem Auto von einem Ort zum anderen fortbewegen zu können, ist eines der wichtigsten Dinge auf dieser Welt. Es bedeutet Freiheit. Und jeder der uns das nehmen wollte, war unser Feind.

Für uns war Donald wie ein Kind, er gehörte zu uns - wenn er ab und zu in der Werkstatt war, leideten wir und nervten die Mechaniker ohne Ende mit ständigen Anrufen, wie es unserem Donald ging.

Wir liebten es beide Auto zu fahren. Mein Partner noch mehr als ich. Er war auch der Fahrer, da ich erst einmal wieder Fahrstunden hätte nehmen müssen.

 


 

Die Zeit mit dem Auto war für uns eine besonders Glückliche. 

Wir konnten endlich meinen Bruder besuchen - einfach so, zum Grillen, wenn wir alle Lust dazu hatten. Wir kutschierten meine Mutter mit ihrem Lebenspartner zum Friseur und wo immer sie hin wollten.

 

 

 

 

Einkäufe gingen locker von der Hand - keine überladenen Fahrräder und Rentenschopper mehr. 

Kein näheres Ausflugsziel war vor uns sicher. Oder einfach so im Sommer aus unseren überhitzten Wohnungen sinnlos mit Klimaanlage in der Gegend herum zu fahren - es war einfach herrlich.

Mein Partner liebte es unsere Ausflüge mit Aufklebern auf dem Donald zu dokumentieren. Das erste, was er machte, wenn wir unser Ziel erreicht hatten, war es,  einen Shop zu finden wo es Auto-Aufkleber gab. In der heutigen Zeit war das gar nicht  so einfach. Und manchmal bekamen wir die Aufkleber erst später bei Ebay von einem Sammler.

 


Für den Donald gab' es auch mal Monate, wo wir uns nur von Senf- und Ketschupbroten ernährten. Denn auch wenn wir ihn günstig erworben hatten, so überstiegen die Reparaturkosten, die anfielen, immer unser finanzielles Budjet.

Aber für Donald taten wir fast alles.

Im Oktober 2019 liessen wir ihn noch einmal in einer Luxus-Volvo Werkstatt durchchecken. Wir kannten zwar auch günstigere Werkstätte, aber da hatten wir immer Angst, dass die irgendwelche guten Teile durch Schlechtere austauschten.

Den Glaubenssatz, die Menschen sind im Grunde schlecht, außer wir selbst, hatten wir beide verinnerlicht.

Luxus-Werkstätte hatten zudem den Vorteil, dass die gleich reparierten und wir warten konnten- auf bequemen Ledersofas Kaffee trinkend - bis er fertig war. In kleineren Werkstätten mussten wir ihn da lassen, was wir nicht ertrugen.

Es traf uns Anfang Januar 2020 - kurz vor Corona - heftig, als unser Donald mutmaßlich einen Achsenbruch hatte. Die Reparatur hätte uns mehrere Tausend Euro gekostet, die wir zu dem Zeitpunkt auch mit monatelangen Senf-Broten und knausern nicht hinbekommen hätten.

Wir konnten uns das auch nicht erklären. Klar, das Auto war alt. Es stand bei meinem Partner vor der Tür. Wir mutmaßten Sabbotage. Hatten alle möglichen Leute im Visier. Mein Partner hatte Nachbarn, mit denen er nicht klar kam.

Aber auch Monsters trieben sich oft in dem Wohngebiet meines Partners herum.

Und es gab auch sonst Feinde genug. 

Unsere Gefühllage war zwischen tiefer Trauer und Riesen-Wut.

Es half nichts - wir versuchten es noch mit einem Typen, der uns einen Preis anbot, der grade noch ging, aber als der die Misere sah, riet auch er uns den Donald zu verschrotten.

Wir machten es gleich am selben düsteren Tag....es schneite...das sind die letzten Bilder von unserem Donald: 

 

 


 

 

Es war nach dem Abschied vom Donald und Corona, als ich eines nachts meinen Partner zu unserem regelmäßigen Telefontermin um 23.00 Uhr nicht erreichte. 

Das kam nie vor. Nie in den 16 Jahren, wo wir zusammen waren. Mein Partner legte auf diese täglichen regelmäßigen Telefonate, wenn wir nicht zusammen waren größten Wert. Immer zur selben Zeit. Er verspätete sich nie. 

Das war eher mein Part - morgens, dass ich mal verschlafen hatte.

Ihm war das sehr wichtig. Ich war ihm wichtig. Die ständige Verbindung, die wir hatten, war ihm wichtig.

Nie wieder werde ich für einen Menschen so wichtig sein, wie ich es für ihn war und niemals wird ein anderer Mensch für mich je wieder so wertvoll sein, wie er es war. Niemals wieder werde ich jemanden so lieben, wie ich ihn geliebt habe und mich wird niemals wieder jemand so lieben, wie er mich geliebt hat.

Ich war deswegen sofort beunruhigt in der Nacht. Probierte es noch ein paar Mal und zog mich an, um mit dem Rad zu ihm zu fahren. Damals dachte ich nicht daran die 112 anzurufen, denn er hatte da noch nicht die Probleme mit dem Herzen.

Bevor ich losfuhr, rief ich noch einmal bei ihm an und hörte erleichtert seine Stimme am Telefon. Er kam von weit her. Er wusste nicht, wo er war und redete irgendwie Unlogisches. Wusste nicht wie spät es war. Es war ganz komisch. Ich fragte ihn dann mehrmals was los wäre und nach und nach fing er sich wieder und sagte, er riefe mich gleich wieder an, er müsste erst einmal zu sich kommen, er wäre eingeschlafen.

Er rief dann auch gleich nach 5 Minuten wieder bei mir an. Er sagte mir, dass er eingeschlafen wäre und das Telefon nicht gehört hatte. Ich merkte, dass es nicht die Wahrheit war. Fragte immer wieder nach, merkte er verhaspelte sich und es nervte ihn. Ich gab' mich dann irgendwann mit dem was er mir gesagt hatte zufrieden. 

Schlief aber in der Nacht schlecht und war sehr erleichtert, als er um 11.00 Uhr bei mir anrief. 

Am nächsten Tag schlossen wir einen Car-Sharing Vertrag ab, das hatten wir entschieden. Die Parkplätze des Unternehmens waren in der Nähe von der Wohnung meines Partners. 

Wir nahmen immer das selbe Auto - einen Fiat - und nannten ihn Björnie.

Es war nicht vergleichbar mit unserem Donald, aber 2 x im Monat leisteten wir es uns. Das waren immer besondere Tage...

Als ich nach dem Tod meines Partners seine Wohnung nach einem Abschiedsbrief absuchte, fand ich in seinem Schlafzimmerschrank, ein Weckglas mit einer Plastiktüte drauf und einem dünnen Plastikschlauch. Ich wusste damals damit nichts anzufangen. Mein Partner war sehr ordentlich und alles war bei ihm an seinem Platz. Diese Sachen passten überhaupt nicht in den Kleiderschrank.

Heute vermute ich, dass es ein sogenannter EXIT-BAG war, dem man sich für einen Suizid  über den Kopf stülpt und entweder ein Gas (Helium) zuführt oder eben so erstickt. 

Mutmaßlich hatte er nach dem "Tod" von unserem Donald Suizid Gedanken und hat sich so ein Teil besorgt. Er könnte in der besagten Nacht, wo ich ihn erst nicht erreicht habe, einen Versuch unternommen haben. Vielleicht nur um zu üben und ist dann ohnmächtig geworden - hat aber wohl dann doch das Klingeln vom Telefon gehört.

Wobei das Thema, nicht mehr leben zu wollen, bei uns beiden damals schon präsent war. Allerdings ging es immer darum, dass wir zusammen gehen und wie wir das am besten bewerkstelligen könnten.

Der Zeitpunkt, als wir unser Auto verloren, war logisch dafür. Nur es gab' ja noch die Option mit dem Car-Sharing. 

Für uns beide war/ist das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln eine Qual. Man sitzt viel zu eng mit anderen Menschen zusammen. Eingepfercht mit anderen Menschen, die mein Partner sowieso erst einmal immer verabscheute .....in dunklen Tunneln...langsamen Bussen.

Wir hatten zwar unsere Schwerbehindertenausweise, aber die Vorstellung, dem wieder ausgeliefert zu sein, war für uns beide nicht erträglich. 

Unser Traum war immer, uns wieder ein Auto anzuschaffen. 

Aber der Traum zerplatzte von Jahr zu Jahr mehr, in der "grünen" Diktatur, die uns behinderten älteren Menschen, das Leben immer schwerer machte. Mobilität ist nur noch was für wohlhabende Menschen.

WIR anderen stehen nun heutzutage - aber auch noch zu Lebzeiten meines Partners  - grade die letzten Jahre - an Bushaltestellen, wo einfach Busse ausfallen oder man muss dann in völlig überfüllte Fahrzeuge steigen, was für uns beide ein No go war. Oder 2021/22 dürften wir ja gar nicht mehr mit Öffis fahren - wegen Corona. Nur getestet oder geimpft. Oder sogar nur getestet und geimpft.

Zu beiden liessen wir uns nicht zwingen. (Über die Coronazeit schreibe ich noch Extra-Beiträge). 

Mein Partner ging die letzten Jahre kaum noch aus dem Haus. Nur, wenn wir den Björnie gemietet hatten und ich ging alle Strecken - besonders im Winter - zufuss.

So, war das....das war die Geschichte unseres Donalds, die auch ein Tropfen war, der mutmaßlich  zu der Katastrophe am 10.04.2023 führte. 

 


 "Die halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge!"

Quentin Average in "Die Sünden von Natchez" von Greg Illes 


 

  

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Musik:  Geoff Harvey - Pixabay


Unsere LEBENS- und Liebes-Geschichte in Bildern und Filmen findet Ihr im You-Tube-Kanal, meines Partners, den ich nach seinem Willen weiter gestalten werde:

Mein Mausebär und ich...der Anfang

Die ersten Jahre... 

Midlife...... 

2017 - Teil 1  

2017 - Teil 2  

2018 - Benthe - Sealife - Zuhause  

  2018 - Autofahrt durch Hannover  

 2018 - Ausflug Marienburg 

 

 

2018 - Balkonien - Im Bärlauchwald - Geburtstagsfeier - Kalle Pe 

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